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17. Dezember 2019
Bertram Hennig

KUNDEN-KUNDSCHAFTER.

Betriebsblindheit ist eine in der Wirtschaft bekannte, dennoch aber weit verbreitete Krankheit. Insbesondere Werbeagenturen sind dagegen nicht immun. Hier vertreten zwar die Kundenberater beziehungsweise die Kontakter die Perspektive des jeweiligen Auftraggebers gegenüber den Kreativen. Dennoch kann man sich der eigenen Echokammer nur schwer entziehen. Ein gewisser Narzissmus mag zwar für den Künstler im Designer oder Tester hilfreich sein, doch das Ziel bleibt letztlich das Verkaufen von Waren und Dienstleistungen und eben nicht die erfolgreiche Teilnahme an Selbstbeweihräucherungs-Wettbewerben der Branche. 

Schon allein der Begriff „Marktforschung“ löst bei vielen Werbern zunächst Panikattacken und Reaktanz aus. Denn dann steht das, was man sich im stillen Kämmerlein ausgedacht hat, zur Diskussion. Der Auftraggeber hat ein Wörtchen mitzureden und er legt substanzielle, schwer widerlegbare Argumente vor, die von einem Marktforschungsunternehmen für viel Geld ermittelt wurden. Den tollen Entwürfen droht der Papierkorb. Dabei kann man richtig konzipierte und analysierte Kundenbefragungen sehr gut nutzen, um Kreationen zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Wenn man die konstruktive Kritik willkommen heißt, dann sind Kreation und Kundenmeinung immer zwei Seiten der Medaille, die man Werbeerfolg nennt.

Damit das werbende Unternehmen von Marktforschungsmaßnahmen wirklich profitiert, muss es sie allerdings ebenso kritisch einordnen können. Viele Erhebungen sind wegen Schwächen des Studiendesigns oder fehlerhafter Interpretationen der Ergebnisse ihr Geld nicht wert. Dazu kommen schwere statistische Grundlagenfehler. Und ein häufiges, folgenschweres Missverständnis des jeweiligen Auftraggebers: Denn Marktforschung bildet nicht die Wirklichkeit ab, sondern kann nur Hinweise auf verbesserungswürdige Details geben. Idealerweise müsste man nämlich die Kunden, ohne dass sie es wissen, bei ihrer Entscheidungsfindung und ihrer Reaktion beobachten, um danach ihr Verhalten zu analysieren. Jede direkte Befragung verändert bereits das Ergebnis, da der Befragte seine Einstellung und sein Verhalten gar nicht neutral reflektieren kann.

WMW nutzt Marktforschungsstudien unter diesen grundsätzlichen Vorbehalten gern, um Schwachstellen in der Gestaltung, zum Beispiel bei Produktpackungen, ausmerzen zu können. Dabei wird idealerweise mit dem jeweiligen Auftraggeber bereits vorab as geplante Studiendesign erörtert, um nicht schon an dieser Stelle die Ergebnisse zu verfälschen. Selbst, wenn dem jeweiligen Probanden zu viele Fragen gestellt werden, kann man diesen Ermüdungsfaktor statistisch oder durch mehr Teilnehmer im Ergebnis wieder ausbügeln. In einer unlängst in Zusammenarbeit mit WMW durchgeführten Studie zu einem Produkt-Relaunch unter einem bekannten Markendach wurde dieser „Fehler“ von Anfang an erkannt und behoben.

WMW stellte für diese Untersuchung drei sehr unterschiedliche Packungsvarianten auf die Probe. Die Kriterien, die mit der Marktforschung ermittelt wurden, konnten eigentlich kaum komplexer sein:  Denn es sollte unter anderem …

– die Dachmarke gut erkannt werden, um einen Imagetransfer zu gewährleisten und das Verbrauchervertrauen in die Dachmarke  zu nutzen
– das Produkt intuitiv erkannt werden, ohne es selbst direkt zu zeigen. Aus diesem Grund wurde das Abbilden des Produktes zur Pflicht
– die Kaufbereitschaft stimuliert werden. In diesem Fall hieß das: Klare Abgrenzung zu anderen Produkten und Signalisierung des Neuen
– Konsumenten jüngeren Alters ansprechen, um die Marke insgesamt zu verjüngen
– einfach gefallen

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Diese Qualitätskriterien wurden WMW zwar teilweise vorher genannt. Damit das Design aber ein funktionierendes und stimmiges Gesamtbild ergibt, beispielsweise über eine klare Hierarchie der einzelnen Elemente für eine sinnvolle Blickführung, muss sich ein Kreativer schnell wieder von Vorgaben lösen. Hier beginnt der künstlerisch-kreative und intuitive Moment der Gestaltungsarbeit, ohne den Design nie funktionieren würde. Das Los- und Treibenlassen im Kreativprozesse widerspricht allerdings nicht den gewünschten Anforderungen. Es ist der Herzblut-Faktor, der jedem Entwurf innewohnt, der nicht komplett aus der Retorte entstanden ist. Genau hier springt interessanterweise der emotionale Funken vom Gestalter zum Konsumenten über. Ein Momentum, das man nicht durch Überrationalisierung zerstören darf.

Für die von WMW präsentierten Vor-Entwürfe hieß dies: Insgesamt konnten sie hervorragende Werte erzielen, wobei die einzelnen Kriterien in ihrer Gewichtung von den Testpersonen immer etwas anders beurteilt wurden. Die Entscheidung für einen Entwurf fiel deshalb dem Auftraggeber so schwer, dass er sich die anderen Vorschläge noch für weitere Einsatzzwecke vorbehielt. Für WMW als Werbepartner bedeutete dieses sehr gute Ergebnis schlicht und ergreifen nur eines: Mission erfüllt.